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Barometer: Aktien treu bleiben
Asset-Allocation: Gewinnmitnahmen widerstehen
2024 war für die Aktienmärkte ein Spitzenjahr, daher ist es nur natürlich, dass sich Investoren, die von der Rally profitiert haben, ihre Gewinne sichern wollen. Dieser Versuchung sollten sie aber vorerst widerstehen. Zugegeben, es spricht einiges dafür, das Engagement in Aktien zu reduzieren, denn während alle Augen auf die unternehmensfreundliche Politik gerichtet sind, die der designierte US-Präsident Donald Trump versprochen hat, haben die Märkte die Massnahmen ausser Acht gelassen, die die Unternehmen in Schwierigkeiten bringen könnten. Und die im historischen Vergleich hohen Bewertungen deuten ebenfalls darauf hin, dass nicht mehr viel Luft für weitere Gewinne ist.
Legt man jedoch die Wirtschafts- und Kreditbedingungen mit in die Waagschale, sind die Argumente für eine Reduzierung des Aktienengagements auf einmal gar nicht mehr so überzeugend. Betrachten wir die Investmentlandschaft aus diesem Blickwinkel, dann sind wir überzeugt, dass Aktien ihre positive Entwicklung in nächster Zeit fortsetzen können. Wir behalten die zahlreichen Risiken im Auge, die die Aktienmärkte in den ersten Monaten des Jahres 2025 verunsichern könnten, bleiben wir in Aktien übergewichtet, in Anleihen neutral gewichtet und in Cash untergewichtet.
Unsere Konjunkturzyklusindikatoren deuten darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage stabil bleiben und damit den Unternehmen in den kommenden Monaten einen Aufschwung bescheren dürfte. Besonders ermutigend ist die Tatsache, dass die Zentralbanken die Zinssätze senken, und die Frühindikatoren liegen überwiegend im positiven Bereich. Nach unserer Einschätzung tritt die Kombination aus sinkenden Zinssätzen und höherem BIP-Wachstum nur in 10% der Fälle auf und erweist sich für Aktien stets als positiv.
Eine weitere erfreuliche Beobachtung, die sich aus unserer Analyse ergibt, ist, dass die US-Wirtschaft auf eine weiche Landung zuzusteuern scheint – und damit eine drastische Abkühlung vom Tisch ist, die viele Investoren befürchtet hatten. Wir gehen davon aus, dass sich das BIP-Wachstum in den USA im Laufe des Jahres 2025 allmählich auf ein langfristiges Potenzialwachstum von 2% pro Jahr abschwächen wird. Ein solches Szenario würde auch bedeuten, dass die US-Notenbank die Zinssätze weniger stark senkt als vom Markt derzeit erwartet. Wir gehen nicht davon aus, dass die US-Zinssätze deutlich unter 4,5% fallen werden, was höchstens einer weiteren Senkung um 25 Basispunkte entspricht.
Die wirtschaftlichen Bedingungen in Europa sind allerdings weniger positiv, nicht zuletzt, da die politischen Beben in Deutschland und Frankreich das Geschäfts- und Konsumklima eintrüben. Um dem Wachstum auf die Sprünge zu helfen, ist mit Zinssenkungen zu rechnen. Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins in den nächsten Monaten mindestens auf 1,75% senken wird.
Unsere Liquiditätsindikatoren deuten auf weitere Gewinne für riskantere Anlageklassen hin. Der positive Impuls – der in der Regel zu einem Anstieg der Aktien-KGVs führt – spiegelt weitgehend den von den Zentralbanken weiterhin verfolgten Kurs der geldpolitischen Lockerung wider. Zwanzig der 30 wichtigsten Zentralbanken der Welt senken die Zinssätze und nur drei erhöhen sie. Auch wenn wir davon ausgehen, dass die Zinssätze in den USA kaum noch viel weiter sinken werden, dürfte der jüngste Schwenk Chinas von einer „vorsichtigen“ zu einer „moderat lockeren“ Geldpolitik den Kreditfluss in die Gesamtwirtschaft aufrechterhalten.
Obwohl wir die Aussichten für Aktien positiv einschätzen, dürfen wir nicht ausser Acht lassen, dass die Bewertungen zur Vorsicht mahnen. US-Aktien, die mit einem KGV von 22 gehandelt werden – und damit 15% über dem von uns geschätzten Fair-Value für den Gesamtzyklus – erscheinen besonders teuer. Gleiches gilt für zyklische Aktien, vor allem im Vergleich zu defensiven Sektoren. Ein weiteres potenziell nachteiliges Bewertungssignal ist die Aktienrisikoprämie, die sich aus der Differenz zwischen den KGVs und der Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen (inflationsbereinigt) ergibt. Sobald die Differenz unter 2 Prozentpunkte sinkt, ist dies ein Vorbote für einen Ausverkauf bei Aktien (siehe Abb. 2). Aktuell können Aktien noch um 8% zulegen, bis diese Schwelle erreicht ist.
Die markttechnischen Indikatoren sind dagegen positiv für riskantere Anlageklassen. Umfragen zeigen, dass die Anlegerpositionierung in Aktien in den letzten Wochen zurückgegangen ist – Aktien sind nicht mehr „überkauft“, was ein positives konträres Signal ist. Gleichzeitig sind die Zuflüsse in Aktien weiterhin stark, mit Rekordzuflüssen in den US-Markt, und saisonale Effekte sprechen für eine weitere Allokation in diese Anlageklasse.
Aktienregionen und -sektoren: USA legen zu
US-Aktien scheinen sich immer mehr zu verteuern, aber es gibt genügend positive Argumente, um vorerst an ihnen festzuhalten. Mit einer Aktienrendite von 18%, einer weiterhin starken Wachstumsdynamik bei den Unternehmensgewinnen, einer robusten Binnenwirtschaft und einer verbesserten Stimmungslage vor dem Hintergrund des Amtsantritts von Donald Trump sind die Signale weiterhin positiv.
Die hohen Bewertungen lassen jedoch darauf schliessen, dass der Spielraum für weitere Kursgewinne kleiner wird, wenn das US-Wirtschaftswachstum (Anstieg der realen Produktion und Produktivität) keine Fahrt aufnimmt. Typische Anzeichen für blasenähnliche Marktbedingungen, d. h. euphorische Anlegerstimmung, überzogene Verschuldung und hektische M&A-Aktivitäten, sind jedoch nicht zu erkennen. Sorge macht allerdings, dass sich die Gewinne auf eine Handvoll Aktien konzentrieren (siehe Abb. 3). Insgesamt sind wir jedoch der Meinung, dass der US-Markt noch etwa 10% Luft hat, bis wir uns ernsthaft Sorgen über eine grössere Korrektur machen müssen.
Wir bleiben daher bei unserer Übergewichtung von US-Aktien, die auch die globalen Aktienmärkte stützen dürften. Mit Ausnahme von China halten wir Schwellenländeraktien ebenfalls für attraktiv. Im letzten Jahr haben sie sich relativ gut entwickelt – besser als europäische Aktien – und das dürfte so weitergehen, wenn Trump es mit seinem Handelsprotektionismus nicht übertreibt.
Wir erhöhen unser Engagement in Kommunikationsdiensten von neutral auf übergewichtet. Der Sektor weist eine positive Gewinndynamik auf, während sich die Stimmung am übrigen Markt verschlechtert, und die Bewertungen sind trotz des Engagements in strukturellen Wachstumsthemen wie dem KI-Boom nicht übertrieben hoch. Darüber hinaus sind wir sowohl gegenüber Alphabet (Google) als auch Meta positiv gestimmt, die zusammen etwa 50% des globalen Branchenindex ausmachen. Beide Unternehmen sind nachweislich führend im Bereich der technologischen Innovation.
Wir erhöhen auch die Gewichtung des Immobiliensektors von untergewichtet auf neutral. Da die Zentralbanken ihre Politik lockern, erscheinen Sachwerte zunehmend attraktiv. Angesichts sinkender Realrenditen werden die Investoren wahrscheinlich nach besseren Renditen Ausschau halten, da die an den Geldmärkten geparkten Barmitteln nicht viel abwerfen. Immobilien, die in den letzten Jahren schwächelten, stellen eine gute Alternative dar, vor allem, da Aktien teuer geworden sind. Diese Entwicklung ist am Schweizer Immobilienmarkt besonders ausgeprägt. Da die Schweizerische Zentralbank die Zinssätze in den negativen Bereich zurückführen dürfte, hat der Schweizer Immobilienindex stark zugelegt – um fast 20% im Gesamtjahr. Das könnte eine Vorlage für den Sektor allgemein sein.
Wir schätzen Finanzwerte weiter positiv ein, die die Hauptprofiteure des „Trump Trade“ sind. Wir können uns aber vorstellen, diese Position in den kommenden Monaten zu reduzieren. Auch von Versorgern sind wir angetan, auch wenn sich der Sektor im vergangenen Jahr unterdurchschnittlich entwickelt hat. Der Stromverbrauch dürfte mit der Nachfrage nach KI und der Abkehr von fossilen Brennstoffen steigen. Gleichzeitig stellt der Sektor eine Absicherung gegen die starke Zyklizität des Aktienmarktes dar.
Anleihen und Währungen: Go for Gold
Man kann es den Investoren nicht verdenken, dass sie die Rally des Jahres 2024 vor allem Technologieaktien und US-Aktien zuschreiben. Das waren aber längst nicht alle Topperformer. Gold hatte sein bestes Jahr seit 2010 und nach unserem Dafürhalten gibt es gute Gründe, das Edelmetall in einem ausgewogenen Portfolio zu belassen.
Da nun in den USA die Republikaner sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat das Sagen haben, ist damit zu rechnen, dass ein umfangreiches Ausgabenprogramm aufgelegt wird. Das wird Ängste hinsichtlich der Inflation und der Tragfähigkeit der US-Schuldenlast schüren – beides Faktoren, die Gold aufgrund seines Status als Sachwert und sicherer Hafen zugute kommen. Angesichts niedrigerer Zinssätze sehen wir auch Potenzial für eine Zunahme der Nachfrage nach dem Edelmetall bei Privatanlegern.
Nicht zuletzt erfreut sich Gold weiterhin einer strukturellen Nachfrage seitens der Zentralbanken der Schwellenländer, die – und das ist entscheidend – nicht besonders preissensitiv sind. Aus diesen Gründen glauben wir, dass die Märkte weiterhin über die Bewertungen (die so hoch sind wie seit zwanzig Jahren nicht mehr) hinwegschauen werden und dass Gold in den kommenden Monaten eine wichtige Absicherung gegen eine mögliche Stagflation und eine Abwertung des US-Dollars bleiben wird.
Bei festverzinslichen Wertpapieren bevorzugen wir Schwellenländeranleihen, sowohl Lokalwährungs- als auch Unternehmensanleihen. Unser Frühindikator für die Wirtschaftstätigkeit in den Schwellenländern liegt wieder im positiven Bereich, unterstützt durch die positive Dynamik des globalen Handels. Wir gehen davon aus, dass sich der Wachstumsabstand zwischen Schwellen- und Industrieländern vergrössern wird (von 1,5 Prozentpunkten im Jahr 2024 auf 1,7 Prozentpunkte im Jahr 2025) – eine Entwicklung, die in der Vergangenheit positiv für Schwellenländeranleihen war.
Inflationsbereinigt erscheinen Schwellenländeranleihen besonders attraktiv und sie werden wahrscheinlich noch interessanter, wenn es weitere Zinssenkungen in den Industrieländern, insbesondere in Europa, gibt.
Die Jagd nach Rendite könnte den höher rentierlichen Teilen des Anleihemarktes der Industrieländer zugute kommen. Wir bevorzugen europäische Hochzinsanleihen gegenüber ihren US-Pendants. Die Bewertungen sind günstiger, und die Anlageklasse dürfte von der von uns erwarteten vergleichsweise aggressiven und lang anhaltenden Lockerung der EZB profitieren. Der von den Märkten eingepreiste Schlussleitzins im Euroraum wird voraussichtlich etwa 150 Basispunkte unter dem der USA liegen; der langfristige durchschnittliche Abstand dürfte sich bei etwa 90 Basispunkten einpendeln (siehe Abb. 4).
Wir haben Schweizer Anleihen untergewichtet, da ihre Bewertungen hoch sind und die Märkte bereits die Möglichkeit einer Zinssenkung unter 0% einpreisen. Demzufolge können die Renditen von kürzer laufenden Anleihen nicht mehr viel weiter sinken.
In US-Staatsanleihen sind wir neutral gewichtet. Wir gehen davon aus, dass sich das Wachstum in der grössten Volkswirtschaft der Welt bis 2025 auf 1,9% abkühlen wird (von 2,7% im letzten Jahr), nicht zu vergessen die Risiken, die mit einem Stillstand bei der Inflationsbekämpfung verbunden sind. Die Fed hat auf ihrer letzten Sitzung unrealistische Erwartungen des Marktes hinsichtlich der Tiefe des Lockerungszyklus gedämpft. Unseres Erachtens ist damit das Risiko gebannt, dass die Lockerung zu weit geht und die US-Notenbank zu einer schmerzhaften Kehrtwende gezwungen wird.
Beim US-Dollar ist der Ausblick uneinheitlich. Während die Aussicht auf neue Handelszölle der Trump-Regierung wahrscheinlich unterstützend wirkt, erscheinen die Bewertungen des Greenback extrem überzogen, und der neu gewählte US-Präsident ist ein Meister darin, den Dollar herunterzureden. Wir bleiben daher vorerst neutral positioniert.
Globale Märkte insgesamt: 2024 endet volatil
Es war ein turbulentes Ende eines turbulenten Jahres, in dem die Aktienmärkte einen volatilen Dezember erlebten, aber dennoch überdurchschnittliche Gewinne im Gesamtjahr erzielten. In Lokalwährung büssten Aktien im Monatsverlauf 0,5% ein, verzeichneten aber für das Jahr insgesamt einen Zuwachs von 22%.
Ein Teil der Performance vom Dezember geht sicherlich auf Gewinnmitnahmen zum Jahresende und andere markttechnische Faktoren zurück. Doch nachdem US-Aktien zwei Jahre in Folge um 20% zugelegt haben, machen sich die Investoren nun Sorgen, dass Aktien die Luft ausgehen könnte. Sorge bereitet vor allem die Marktkonzentration. Auf den US-Markt entfallen etwa 70% des globalen Aktienindex, während sich der Löwenanteil der Gewinne auf eine Handvoll Aktien konzentriert – die mehr oder weniger glorreichen 7.
US-Aktien gingen im Dezember gegenüber dem Vormonat um 1,1% zurück, legten aber im Jahresvergleich um 27% zu und erzielten damit fast genau das Ergebnis des Vorjahres. Die Stärke des US-Dollars (siehe Abb. 5) konnte einige andere Märkte stützen, insbesondere den japanischen Markt und die Märkte der Schwellenländer. So legten japanische Aktien im Monatsvergleich um 5 % (in Yen) und Schwellenländeraktien um 1,7% zu. Der Yen büsste im Monatsvergleich 0,5% und im Jahresvergleich fast 11% ein.
Vor allem der Aufwärtstrend bei den Anleiherenditen setzte Aktien unter Druck. Globale Anleihen verloren im Dezember in Lokalwährung 1,5% und verzeichneten damit im Jahresvergleich einen leichten Rückgang von 0,1% – in US-Dollar waren die Rückgänge aufgrund der ungebrochenen Stärke des US-Dollars noch ausgeprägter. Der Greenback legte im Monatsvergleich um 2,1% zu, was der aggressiven Haltung der Fed und dem Trump-Effekt zuzuschreiben war, und im Jahresvergleich um 6,6%.
Bei den Staatsanleihen waren US-Treasuries mit einem Minus von 2,9% der grösste Verlierer des Monats. Die überraschende Widerstandsstärke der US-Wirtschaft und die Erwartung, dass Trumps Handels- und Steuerpolitik die Inflation anheizen wird, haben dazu geführt, dass die Investoren ihre Erwartungen in Bezug auf Zinssenkungen der Fed zurückgeschraubt haben. Andererseits haben genau die Kräfte, die auf Aktien wirken, Unternehmensanleihen einen Schub gegeben. Das sorgte zum Jahresende für Volatilität an einem Markt, der sich 2024 insgesamt gut entwickelte. Europäische Hochzinsanleihen waren der grosse Gewinner, mit einem Plus von 0,6% im Monatsvergleich und 8,6% im Jahresvergleich. Andere Teile des Marktes entwickelten sich nicht ganz so gut – US-Investment-Grade-Anleihen gaben im Monatsvergleich um 2% nach.
Stärkere Wachstumserwartungen gaben Rohstoffen Auftrieb, die im Monatsvergleich um 2% und im Jahresvergleich um fast 8% zulegten. Dadurch konnten sogar die Verluste des Ölmarktes teilweise ausgeglichen werden. Und auch wenn Gold im Monatsvergleich um 1,6% nachgab, gehörte es mit einem Plus von knapp 27% zu den grössten Gewinnern des Jahres 2024.