Erste Frau an der Spitze der Schweizer Bank Pictet

Erste Frau an der Spitze der Schweizer Bank Pictet

Elif Aktuğ wurde als erste Frau Teilhaberin der Schweizer Privatbank und leitet den Bereich alternative Anlagen mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit.

Interview von María Domínguez, publiziert in El Economista, Montag 5. September 2022

Elif Aktuğ ist von Geburt Türkin. Den frühen Tod ihres Vaters, als sie elf Jahre alt war, beschreibt sie als Schlüsselmoment in ihrem Leben: Sie wollte den hohen Erwartungen gerecht werden, die er an sie hatte. Ihr Vater war Diplomat, und entsprechend international war ihre Ausbildung. Sie wuchs in London, Ankara und Paris auf. Und dank eines Stipendiums konnte sie am renommierten Institut d'Études Politiques (kurz Sciences Po) in der französischen Hauptstadt studieren.

Die 47-jährige Elif Aktuğ erreichte die oberste Liga des Schweizer Bankensektors, als sie im September 2021 als erste Frau in der 217-jährigen Geschichte von Pictet zur Teilhaberin der Gruppe ernannt wurde (sie ist Teilhaberin Nr. 44). Elif Aktuğ ist CEO des Geschäftsbereichs für alternative Anlagen, Pictet Alternative Advisors, der 35,499 Milliarden Dollar (etwa 35,380 Milliarden Euro) verwaltet.

Ihr Aufstieg begann vor elf Jahren. Mit ihrer als Wertpapierhändlerin bei Goldman Sachs erworbenen Erfahrung in der Finanzanalyse stellte sie sich die Frage, wo sie ihr Talent entfalten könne, und Genf schien die beste Wahl für Beruf und Lebensqualität. 2011 wechselte sie zur Privatbank Pictet und baute dort den alternativen Fonds Agora auf, der sich auf Aktien europäischer Grossunternehmen spezialisiert. Als sie die Leitung des Fonds Anfang September 2021 abgab, belief sich sein Vermögen auf 2,5 Milliarden Euro.

Ein offizielles Vorstellungsgespräch musste sie nicht durchlaufen, bevor sie als geschäftsführende Teilhaberin von Pictet ausgewählt wurde. Sie konzentrierte sich auf ihre Arbeit und erst später wurde ihr bewusst, worauf die Gespräche mit mehreren Teilhabern abzielten – auch dank der in zehn Jahren geleisteten guten Arbeit. Die Teilhaber verwenden viel Sorgfalt auf jede Ernennung, denn danach verbringen sie Jahrzehnte mit dem neuen Teilhaber oder, wie in diesem Fall, der neuen Teilhaberin. Sie können es sich nicht erlauben, einen Fehler zu machen. 

2020 wurde Elif Aktuğ von Hedge Funds Review als Best Female Fund Manager ausgezeichnet. In der Pictet-Gruppe setzt sie sich für Diversität und Inklusion ein, unter anderem als Mitbegründerin des Pictet Women's Network, das die berufliche Entwicklung von Frauen in dem Bankhaus fördern soll. 

Sie hofft, ihre Arbeitseinstellung und ihre persönlichen Werte an ihre drei Töchter weiterzugeben, ohne mit ihren Erwartungen Druck auf sie auszuüben. Ihren Ehemann lernte sie in Stanford kennen, wo sie einen MBA absolvierte (er gründete ein Start-up, das die Lagerbedingungen von Weinen überwacht). 

Heute besteht ihre Arbeit darin, den breit gefächerten Bereich alternative und Privatmarktanlagen mit dem Ziel voranzutreiben, den Zugang zu dieser Anlageklasse zu vereinfachen. Alternative Anlagen, wie beispielsweise Private Equity (Anlagen in nicht börsennotierten Unternehmen in verschiedenen Entwicklungsstadien), Immobilienfonds oder Infrastruktur, stossen bei Anlegerinnen und Anlegern zunehmend auf Interesse. „Es gibt einen sehr klaren Trend am Markt. An den Privatmärkten spielt Nachhaltigkeit eindeutig eine wichtige Rolle für die Anlegerinnen und Anleger“, erklärt Elif Aktuğ im Telefongespräch mit elEconomista.es. In den letzten drei Jahren ist die Anlage nach ökologischen, sozialen und Governance-Kriterien (kurz ESG) regelrecht explodiert. Zunächst war der Boom bei liquiden Anlagen zu beobachten, danach aber auch bei den illiquiden. 

Diese Privatmärkte wiederum demokratisieren sich gerade. In Spanien bereitet das Wirtschaftsministerium ein Gesetz vor, das die Mindestanlageschwelle für Privatmarktanlagen von derzeit 100 000 Euro auf 10 000 Euro senkt. Elif Aktuğ versteht zwar diesen Demokratisierungsprozess, weist aber darauf hin, dass Kleinanleger sich darüber bewusst sein müssen, dass es mehrere Jahre dauern kann, bis sie das angelegte Geld zurückbekommen, wenn sie „böse Überraschungen vermeiden wollen“. 

In welchen alternativen Anlagen sieht die Expertin am meisten Potenzial? „Diese Frage ist wie die Frage, welche meiner drei Töchter ich am liebsten habe“, antwortet sie mit einem Lachen. „Uns bietet sich eine riesige Chance. Viele Anleger haben in ihren Portfolios zu wenig Anlagen dieser Art“, kommentiert sie. Und zwar Anlagen, die die Volatilität der Portfolios senken, gerade in einem Kontext steigender Preise. „Immobilien zum Beispiel sind ein natürlicher Schutz gegen die Inflation, weil die Mieten gewöhnlich mit den Preisen steigen“, erklärt sie. 

Nächstes Jahr wird Pictet Alternative Advisors einen Fonds für Direktanlagen in Private Equity auflegen und eine Initiative in Private Debt starten. Voraussichtlich werden sie als Artikel-8-Produkte nach der europäischen Offenlegungsverordnung klassifiziert, was heisst, dass sie Nachhaltigkeitsmerkmale aufweisen.

Die Verordnung ist seit knapp eineinhalb Jahren in Kraft und schon zu einer tragenden Säule von Produkten für verantwortungsbewusste Anlagen in Europa geworden. Für Verwaltungsgesellschaften war sie mit einem enormen Aufwand verbunden, denn sie wurden dazu gedrängt, ihre Fondspaletten gemäss den von der Europäischen Kommission aufgestellten Kriterien neu auszuzeichnen. Elif Aktuğ: „Wir tun alles, um sicherzustellen, dass neu aufgelegte Fonds Artikel-8-konform gestaltet sind.“

©2022 María Domínguez, El Economista
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