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Barometer: US-Aktien haben noch viel in petto
Asset-Allocation: Aktien weiter im Aufwind
Für viele Investoren ist der Ausgang der US-Wahl für die Aktienmärkte alles entscheidend.
Das sehen wir anders. Natürlich gibt es deutliche politische Unterschiede zwischen Donald Trump und Kamala Harris, aber selbst die extremste Veränderung des Status quo – das heisst, wenn sich die Republikaner die Macht im Weissen Haus und im Kongress sichern würden – dürfte keine grossen Überraschungen bringen. Das wäre schliesslich nicht das erste Mal. Eine Regierung unter Donald Trump ist eine bekannte Grösse – das war 2016 ganz anders, als der Immobilienmagnat das Weisse Haus übernahm. Steuersenkungen, Einwanderungskontrolle, fossile Brennstoffe, Zollerhöhungen und Deregulierung werden ganz oben auf der politischen Agenda stehen, so wie vor acht Jahren auch.
Demnach sollten die Investoren bei ihren Überlegungen zur Asset-Allocation stärker auf die fundamentalen Entwicklungen achten. Unserer Meinung nach spricht alles für eine Übergewichtung von Aktien. Zum einen zeigt unsere Analyse, dass sowohl die Unternehmen als auch die privaten Haushalte im Allgemeinen finanziell gut aufgestellt sind – was darauf hindeutet, dass die US-Wirtschaft eine weiche Landung hinlegen wird, mit positiven Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne. Zum anderen haben sich die wirtschaftlichen Frühindikatoren weltweit verbessert, während die Zinssätze gesunken sind – ein seltenes Zusammenspiel, das für die Aktienmärkte Gutes verheisst. Kommen wir als nächstes zur Liquidität: China hat in jüngster Zeit in puncto geldpolitische Impulse nachgezogen, sodass die globale Verfügbarkeit von Liquidität schneller zunimmt als das nominale Wirtschaftswachstum. Dadurch verbessern sich in der Regel die KGVs von Aktien (siehe Abb. 2).
Unserer Übergewichtung in Aktien stehen eine Untergewichtung in Cash und eine neutrale Positionierung in Anleihen gegenüber, die weitgehend angemessen bewertet sind, auch wenn wir glauben, dass der Markt mehr US-Zinssenkungen einpreist als die US-Notenbank letztendlich vornehmen wird. Wir gehen davon aus, dass die Fed die Zinssätze auf etwa 4% senken wird, wohingegen die Terminmärkte einen Zielzinssatz von etwa 3,5% einpreisen.
Unsere Positionierung wird teilweise von unseren Konjunkturindikatoren beeinflusst, die ein ermutigendes Bild für die beiden grössten Volkswirtschaften der Welt zeichnen.
In den USA ist die Wirtschaftslage den jüngsten Daten zufolge – die ein robustes BIP-Wachstum von 2,8% auf Jahresbasis im dritten Quartal belegen – weiterhin erfreulich. In den USA sind nach wie vor die Konsumausgaben, die sich als nachhaltiger erweisen als von uns zu Jahresbeginn erwartet, der wichtigste Konjunkturmotor.
Wir gehen zwar davon aus, dass sich das Wachstum des US-BIP in den kommenden Monaten abkühlen wird, doch sehen wir einen sanften Rückgang, der mit einem stetigen Nachlassen der Inflation einhergeht. Anders ausgedrückt: Die Zeichen scheinen auf eine „weiche Landung“ zu stehen: ein Szenario, bei dem die USA einer Rezession entgeht und die Inflation in einem Tempo sinkt, das es der Fed ermöglicht, die Kreditkosten in den kommenden Monaten weiter zu senken.
China scheint inzwischen auf stabileren wirtschaftlichen Füssen zu stehen. Nachdem die US-Notenbank im September die Zinssätze gesenkt hatte, konnte China ein umfangreiches geldpolitisches Konjunkturprogramm in Höhe von rund 2 Bio. RMB bzw. 1,6% des BIP auf den Weg bringen. Dadurch soll die Wirtschaft gestützt werden, die mit einer Schuldendeflation flirtet. Wir glauben jedoch, dass dies nur ein Teil des Konjunkturplans ist, den sich die chinesische Regierung überlegt hat. In den kommenden Monaten erwarten wir ein Konjunkturpaket in ähnlicher Grössenordnung, das heisst etwa 1,5 % des BIP, das die kurzfristigen Wirtschaftsaussichten Chinas und der Schwellenländer insgesamt verändern könnte. Das Fiskalpaket würde in gewissem Masse einer Erhöhung der US-Zölle auf chinesische Warenexporte entgegenwirken.
In Europa sind die Bedingungen allerdings weniger günstig. Die Aussichten sowohl für die Konsumausgaben als auch für die Industrieaktivität sind nach wie vor düster. Das deutet darauf hin, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinssätze aggressiv senken muss – möglicherweise stärker als vom Markt derzeit erwartet.
Unsere Liquiditätsindikatoren zeigen, dass die Bedingungen für riskantere Anlageklassen weitgehend positiv sind. Da etwa zwei Drittel der grossen Zentralbanken die Zinssätze gesenkt haben und China vor kurzem seine geldpolitischen Massnahmen verstärkt hat, dürften die KGVs von Aktien auf dem derzeitigen Niveau bleiben, wenn nicht sogar noch etwas höher ausfallen.
Das gilt jedoch nicht unbedingt für europäische Aktien. Hier könnte sich die Kreditverknappung infolge der anhaltenden quantitativen Straffung durch die EZB bald verschärfen, wenn Frankreich und Deutschland mit der Umsetzung der drastischen Kürzung der öffentlichen Ausgaben beginnen, zu der sie sich kürzlich verpflichtet haben.
Die von uns verfolgten Bewertungskennzahlen zeigen, dass Aktien insgesamt teurer geworden sind. Die jüngsten Kursanstiege bei Aktien aus China und den Schwellenländern lassen beide Aktienklassen aus Bewertungsperspektive nicht mehr ganz so attraktiv erscheinen. Dennoch gehören sie nach wie vor zu den günstigsten Aktienmärkten in unserer Scorecard. An den Anleihe- und Devisenmärkten erscheinen europäische Anleihen und der US-Dollar inzwischen sehr teuer.
Die jüngsten markttechnischen Entwicklungen bestätigen uns in unserer Übergewichtung von Aktien. Die saisonalen Faktoren sind positiv: Aktien schneiden zum Jahresende hin in der Regel besonders gut ab und die Zuflüsse von Privatanlegern in Aktien sind robust. Wir gehen davon aus, dass weiterhin in erheblichem Umfang Aktienrückkäufe stattfinden.
Aktienregionen und -sektoren: China und die USA hoch im Kurs
Da das geldpolitische Stützungspaket Chinas positive Auswirkungen auf die Wirtschaft zu haben scheint und weitere Unterstützung in Form von fiskalischen Massnahmen erwartet wird, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, bei chinesischen Aktien von einer neutralen Positionierung zu einer Übergewichtung überzugehen. Da wir davon ausgehen, dass die US-Wahl in den meisten Szenarien ein positives Ergebnis für den Unternehmenssektor des Landes bringen wird, gehen wir auch bei US-Aktien zu einer Übergewichtung über.
Ende September unternahmen die chinesischen Währungshüter schliesslich ernsthafte Anstrengungen, um dem, was immer mehr nach einer Schuldendeflation aussah, ein Ende zu bereiten. Dazu gehörten vor allem geldpolitische Massnahmen in einem Umfang von etwa 1,6% des BIP, die darauf abzielten, die Kreditnachfrage anzukurbeln und sowohl den Immobilienmarkt als auch den Bankensektor mit seinen maroden Bilanzen zu stützen. Bis Ende des Jahres wird wahrscheinlich ein ähnlich umfassendes Fiskalpaket folgen. Der Impuls dürfte sogar noch stärker ausfallen, wenn Trump ein zweites Mal die US-Wahl gewinnt und Strafzölle gegen China erhebt. Chinesische Aktien haben bereits stark zugelegt (im bisherigen Jahresverlauf um 24% in Lokalwährung, was sie zum weltweit performancestärksten Aktienmarkt macht) und dürften nach unserer Einschätzung in den kommenden Monaten weitere Kursgewinne verzeichnen. Die Bewertungen sind immer noch attraktiv, wenn man bedenkt, dass die gesamte Marktkapitalisierung Chinas im Verhältnis zur Geldmenge – ein Indikator für die überschüssige Liquidität, die lokalen Investoren zur Verfügung steht – auf einem 20-Jahres-Tief liegt.
Ein Wahlsieg Trumps wäre auch gut für US-Aktien, die jetzt schon davon profitieren, dass die erwarteten Unternehmensgewinne für diesen Markt deutlich besser sind als für alle anderen grossen Aktienmärkte (siehe Abb. 3). Trump wird wahrscheinlich auf weitere Steuersenkungen drängen, auch wenn diese wahrscheinlich nicht so umfangreich sein werden wie beim letzten Mal. Und da die Verbraucher finanziell nach wie vor gut aufgestellt sind, werden die Unternehmen ihre Gewinnmargen wahrscheinlich aufrechterhalten, auch wenn einige von Trumps Massnahmen zur Bekämpfung der Einwanderung und seine handelsfeindliche Politik die Kosten in die Höhe treiben. Aber auch ein Sieg der Demokraten wäre nicht unbedingt schlecht für den Aktienmarkt.
Bei den Sektoren halten wir an unserer Barbell-Strategie fest und bleiben im zyklischeren Finanzsektor und in defensiven Versorgern übergewichtet. Finanzunternehmen profitieren von soliden Überschussmargen, niedrigen Ausfallraten und dem erwarteten Anstieg der Kreditnachfrage. Bereinigt um das Gewinnwachstum sind Banken nach wie vor von allen globalen Branchen am günstigsten. Von den defensiven Sektoren weisen Versorger die beste Dynamik auf und können mit einer attraktiven Dividendenrendite von rund 4% aufwarten.
Bei japanischen Aktien gehen wir aufgrund des zunehmenden politischen Risikos von einer neutralen Positionierung zu einer Übergewichtung über. Bei den jüngsten vorgezogenen Neuwahlen verlor die mächtige Liberaldemokratische Partei die Kontrolle über das Unterhaus des Parlaments und ihren bestimmenden Einfluss auf die nationale Politik, den sie seit Mitte der 1950er Jahre ausgeübt hat. Die Bewertungen des Marktes sind nach der überdurchschnittlichen Entwicklung der letzten Jahre neutral; die Geldpolitik wird gestrafft und die Dynamik des Wirtschaftswachstums bleibt schwach. Wir bezweifeln auch, dass der Yen noch grossartig schwächer werden kann – damit fällt eine wichtige Stütze für lokale Aktien weg.
Anleihen und Währungen: Gold treu bleiben, Shortposition im Euro reduzieren
Obwohl etwa 20 der 30 von uns beobachteten massgeblichen Zentralbanken die Zinssätze mehr oder weniger im Gleichschritt senken, wird es bald zu geldpolitischen Divergenzen kommen, die verschiedene taktische Anlagechancen an den Anleihe- und Devisenmärkten eröffnen werden.
So haben wir beschlossen, bei unserer Shortposition im Euro Gewinne mitzunehmen und von einer Untergewichtung zu einer neutralen Positionierung überzugehen. Auch wenn die EZB die Zinssätze wahrscheinlich stärker senken muss als die Fed, ist diese voraussichtliche Zinsdifferenz bereits weitgehend am Markt eingepreist. Aufgrund der bevorstehenden Kürzungen der öffentlichen Ausgaben in den beiden grössten Volkswirtschaften der Region, Frankreich und Deutschland, und des generell schwachen Wachstums in Europa wird die EZB wahrscheinlich gezwungen sein, die Zinssätze unter den neutralen Zinssatz von 2% zu senken – ein Szenario, das unserer Meinung nach bereits im Wert des Euro eingepreist ist und kaum Raum für eine weitere Abwertung lässt.
Wir behalten unsere neutrale Positionierung in anderen Währungen bei. Obwohl der US-Dollar in vielerlei Hinsicht überbewertet erscheint, übertrifft das US-Wirtschaftswachstum nach wie vor das der übrigen Industrieländer, und ein Wahlsieg Trumps in den USA – mit einem möglichen Sieg der Republikaner im Kongress – wird den Greenback wahrscheinlich weiterhin stützen.
Gold dient uns weiterhin der Absicherung gegen die Inflation und eine mögliche politisch bedingte Instabilität, die ein Trump-Sieg mit sich bringen könnte. Und das trotz der herausragenden Entwicklung des Edelmetalls in diesem Jahr, die zu Gewinnmitnahmen animieren könnte.
Während immer mehr Beobachter ihre Besorgnis über die Bewertungen von Unternehmensanleihen zum Ausdruck bringen, sind wir zuversichtlicher und bleiben in europäischen und US-amerikanischen Unternehmensanleihen neutral positioniert, sowohl im Hochzins- als auch im Investment-Grade-Segment. Trotz enger Spreads ist die Finanzlage der Unternehmen gut – ebenso wie die der Verbraucher, vor allem in den USA –, und die Ausfallraten sind niedrig und rückläufig. Analysen zeigen, dass die erwarteten Renditen von Unternehmensanleihen in hohem Masse mit den Erträgen korrelieren, sodass die Investoren über die Ausfallraten hinwegsehen können, auch auf dem Hochzinsmarkt.
Vorerst bleiben wir in Schwellenländeranleihen übergewichtet und bevorzugen Lokalwährungsanleihen. Das chinesische Konjunkturprogramm dürfte andere Schwellenländer, insbesondere in der Region, unterstützen, vor allem, wenn die Importe des Landes im Zuge des BIP-Wachstums steigen und der Auslandstourismus zunimmt (der erst bei 60% des Niveaus vor der Covid-Pandemie liegt). Die Schwellenländerwährungen erscheinen günstig und die Realzinssätze der Schwellenländer, insbesondere in Lateinamerika, sind sehr attraktiv.
Bei Staatsanleihen bleiben wir bei den meisten Staatsanleihen der Industrieländer neutral gewichtet. Bei US-Staatsanleihen ist das Bild etwas uneinheitlich: Das solide Wachstum und die zunehmende Wahrscheinlichkeit eines Trump-Siegs sind eindeutig negative Aspekte, aber der jüngste Anstieg der Risikoprämie (also die Risikokomponente von Anleiherenditen) und die Abnahme der Zahl der eingepreisten Zinssenkungen der Fed bis Ende 2025 sind jedoch wichtige neutralisierende Faktoren. Alles in allem ergibt sich daraus kein starkes Signal in die eine oder in die andere Richtung. Die Bewertungen deuten darauf hin, dass Anleihen insgesamt angemessen bewertet sind, nachdem die Renditen in den letzten Wochen stark gestiegen sind, was die Stärke der Wirtschaft und Trumps Stärke in den Umfragen widerspiegelt (siehe Abb. 4).
Globale Märkte insgesamt: Ein volatiler Herbst
Der Oktober war ein harter Monat für globale Aktien und Märkte. Der eskalierende Konflikt im Nahen Osten und die wachsende Unsicherheit über den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl liessen die Investoren um die Verfassung der Weltwirtschaft bangen.
Sowohl Aktien als auch Anleihen beendeten den Monat im Minus, wobei sich Aktien dank relativ guter Unternehmensgewinne besser entwickelten.
Von den grossen Aktienregionen konnte nur Japan Zuwächse verbuchen – ein Plus von über 2% in Lokalwährung. Die Abwertung des Yen wurde von dem exportorientierten Markt des Landes gut aufgenommen, nachdem die regierenden Liberaldemokraten bei den vorgezogenen Parlamentswahlen ihre Mehrheit im Parlament verloren hatten.
Auch in einem anderen asiatischen Land ging es turbulent zu: Chinesische Aktien haben einen besonders volatilen Monat hinter sich – anfängliche Gewinne wichen einem starken Ausverkauf, nachdem die angekündigten Konjunkturmassnahmen hinter den Erwartungen der Investoren zurückblieben (siehe Abb. 5).
Die US-Aktienmärkte gaben zwar nach, schnitten aber dank der guten Ertragsdynamik insgesamt besser ab als Europa. Daten von LSEG I/B/E/S zufolge übertrafen von den Unternehmen im S&P 500, die bereits ihre Ergebnisse für das dritte Quartal bekanntgegeben haben,77% die Gewinnprognosen der Analysten.
Positive Gewinnüberraschungen gab es bei Finanz- und Kommunikationsdienstleistungen, den beiden Sektoren mit den besten Ergebnissen im Oktober. Finanzwerte profitierten auch von der erwarteten Lockerung der strengen Regulierung im Falle eines Wahlsiegs von Trump.
An den Anleihemärkten verloren britische Staatsanleihen im Oktober rund 3% in Lokalwährung, da sich die Investoren auf eine umfangreiche Emission von Staatsanleihen zur Finanzierung der höheren öffentlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung einstellten.
Die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen erreichten den höchsten Stand seit Mitte Juli, da eine Reihe positiver Daten aus dem US-Konsumsektor dazu führte, dass die Erwartungen hinsichtlich künftiger Zinssenkungen zurückgeschraubt wurden. Das waren auch gute Nachrichten für den US-Dollar, der auf ein Dreimonatshoch gegenüber einem Währungskorb kletterte.
Gold legte um 4,1% zu und profitierte von seinem Status als defensiver „sicherer Hafen“. Der Ölpreis stieg angesichts der Spannungen im Nahen Osten um 1,7%.