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Barometer: Taktische Chance bei Aktien
Asset-Allocation: Positiv denken
Der Start ins neue Jahr war ausnahmsweise einmal recht positiv – zumindest was die Weltwirtschaft betrifft. Die sich verlangsamende Inflation scheint einen geldpolitischen Schwenk hin zu Zinssenkungen zu rechtfertigen, und das Wachstum war robust genug, um eine harte Landung der Wirtschaft abzuwenden.
Solange dieses Goldlöckchen-Szenario anhält, dürften riskantere Anlagen profitieren. Daher stufen wir globale Aktien auf übergewichtet hoch und gleichen dies mit einer Untergewichtung des Cash aus. Mit den ersten Zinssenkungen wird das Halten von Liquidität oder gleichwertigen Anlagen immer unattraktiver. In Anleihen bleibt wir neutral gewichtet.
Wir betrachten diese Allokation als eine kurzfristige Massnahme. So wie Goldlöckchens Brei nicht ewig die perfekte Temperatur hat, glauben wir, dass sich die globale Wirtschaft irgendwann abkühlen wird und Anleihen wieder die Oberhand über Aktien gewinnen werden.
Unser globaler Frühindikator für die Wirtschaftstätigkeit deutet auf eine wahrscheinliche Abkühlung in der zweiten Jahreshälfte hin. Wir gehen davon aus, dass das Wachstum in den Industrieländern im Jahr 2024 nur noch 0,9% betragen wird – etwa halb so viel wie im Vorjahr.
Japan ist nach wie vor das einzige Industrieland, das nach unserem makroökonomischen Modell positiv abschneidet, wobei das kräftige Lohnwachstum und die potenzielle Erholung des globalen Handels für kräftigen Rückenwind sorgen.
Auch die US-Wirtschaft hält sich bisher relativ gut, was den Aktienmarkt in nächster Zeit beflügeln dürfte. Die Umfragedaten werden jedoch zunehmend düsterer, und wir gehen davon aus, dass sich die Dynamik im Konsumsektor und bei Nicht-Wohnungsbauinvestitionen bald verschlechtern wird. Das könnte die US-Notenbank zu einer Zinssenkung veranlassen.
Das Wachstum in der Eurozone hingegen wird wahrscheinlich schwach, wenn auch stabil ausfallen.
Unsere Liquiditätsindikatoren zeigen, dass die Bedingungen für Aktien, insbesondere für US-Titel, bis zum Ende des ersten Quartals günstig bleiben werden. Das quantitative Straffungsprogramm der Fed hat keine Wirkung gezeigt, was darauf zurückzuführen ist, dass die Finanzinstitute ihre bei der Notenbank geparkten überschüssigen Barmittel abgezogen haben (siehe Abb. 2). Das hat dazu beigetragen, dass sich riskante Anlagen besser entwickelt haben als Cash, wodurch ein gewisses Mass an geldpolitischer Stimulation, der sogenannte „Policy Put“, wiederhergestellt wurde. Unsere Analyse deutet darauf hin, dass der Anstieg der Nettoliquidität, also die zusätzliche Geldmenge, die die Zentralbank der Wirtschaft für Investitionen und Ausgaben zur Verfügung stellt, sich mit der Entwicklung des S&P 500 deckt, der sich in Richtung der Marke von 5.000 bewegt.
Die Situation wird sich wahrscheinlich ändern, sobald das US-Finanzministerium statt T-Bills Anleihen mit längeren Laufzeiten emittiert, was unserer Einschätzung nach im zweiten Quartal 2024 der Fall sein wird. Das wird zu einem deutlich langsameren Abbau der Reverse-Repo-Fazilität der Fed, zu einem Nettoabfluss von Liquidität aus dem Finanzsystem und vermutlich zu einem Anstieg der Risikoprämien führen.
Ab diesem Punkt werden die überzogenen Aktienbewertungen vermutlich nicht mehr lange nachhaltig sein. US-Aktien erscheinen teuer, sie werden mit einem KGV von 20 für die nächsten 12 Monate gehandelt – ein Niveau, das abgesehen von der Dotcom-Blase eine Seltenheit ist. Die verbesserten Ertragsaussichten entschädigen ein wenig, insbesondere im Technologiesektor (und folglich den USA), aber das Aufwärtspotenzial ist angesichts der eingepreisten hochgesteckten Erwartungen begrenzt; das vom Konsens erwartete Wachstum des Gewinns je Aktie für den US-Markt liegt bei über 10%, während wir von 4% ausgehen.
Unsere taktische Präferenz für Aktien wird auch durch positive markttechnische Signale gestützt, insbesondere durch starke Trends in den USA und Japan. Die Stimmungsindikatoren haben sich aus der Euphorie heraus normalisiert, und die Anlegerpositionierung zeigt ein Gleichgewicht zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen bzw. zwischen Investoren, die auf eine Markterholung setzen, und solchen, die sich auf eine Talfahrt einstellen.
Aktienregionen und -sektoren: Ein wenig auf die USA zugehen
Die Berichtssaison in den USA ist in vollem Gange, und die bisherigen Ergebnisse bestätigen unsere Erwartung, dass US-Unternehmen am Anfang einer Gewinnerholung stehen, die sich im Laufe des Jahres beschleunigen könnte.
Da die US-Wirtschaft weiterhin robust ist, haben wir unsere Prognosen für das Wachstum der Unternehmensgewinne in den USA für dieses Jahr von 2,5% auf 4,3% angehoben.
Auf den ersten Blick legt diese Korrektur der Gewinnerwartungen eine Übergewichtung von US-Aktien nahe. Dies birgt jedoch Risiken.
Wir können beispielsweise nicht ausschliessen, dass sich die Ausgaben der US-Haushalte in den kommenden Monaten abschwächen. Auch die Möglichkeit einer Verschlechterung der Investitionsdynamik bei den Unternehmen ist nicht auszuschliessen.
Ausserdem dürfte der erwartete Lockerungszyklus der Fed kaum einen Liquiditätsschub bringen, da durch Zinssenkungen lediglich die Realzinssätze unverändert bleiben.
Dann gibt es noch die Aktienrisikoprämie, also die Überrendite, die sich durch eine Anlage am Aktienmarkt gegenüber einem risikofreien Zinssatz erzielen lässt. In den USA liegt diese Prämie bei 3,8% – der niedrigste Wert von allen Aktienmärkten der Industrieländer. Vor diesem Hintergrund haben wir beschlossen, unsere Allokation in US-Aktien auf neutral zu erhöhen. Eine Übergewichtung kommt aktuell allerdings noch nicht in Frage.
In den Industrieländern gibt es weitere attraktive Investmentchancen.
In Japan bleiben wir übergewichtet. Japanische Aktien legen immer mehr zu, da die wirtschaftliche Widerstandskraft, Unternehmensreformen und angemessene Bewertungen für hohe Zuflüsse in den Markt sorgen; der als Gradmesser dienende Nikkei Index erreichte im Januar seinen höchsten Stand seit fast 34 Jahren.
In Schweizer Aktien bleiben wir ebenfalls übergewichtet, da der Markt ein Engagement in Qualitäts- und defensiven Titeln bietet, die wir in einem Umfeld moderaten globalen Wachstums für wichtig halten. Das Land besitzt von allen grossen Volkswirtschaften den grössten Anteil an defensiven Aktien – mit 60% der Marktkapitalisierung des Schweizer Benchmark-Index. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Unternehmen aus den Bereichen Pharma und Basiskonsumgüter.
Bei Aktien des Euroraums bleiben wir neutral gewichtet. Die Bewertungen sind zwar attraktiv, aber die Aussichten für die Wirtschaft sind nach wie vor schlecht. Als ungeliebte Region mit Aussichten auf eine wirtschaftliche Erholung in der zweiten Jahreshälfte haben Aktien des Euroraums jedoch das Potenzial, im weiteren Verlauf des Jahres zu überraschen.
In China und anderen Schwellenländern bleiben wir neutral gewichtet. Die relativen Bewertungen chinesischer Aktien liegen auf einem historischen Tiefstand und die Aussichten für diese Anlageklasse sind nicht besonders rosig, da die Investoren an der Bereitschaft Pekings zweifeln, den Aktienmarkt durch umfangreiche fiskalische Unterstützung zu beleben. Zudem ist eine Trendwende am Immobilienmarkt, die Grundvoraussetzung für eine Verbesserung der Stimmungslage ist, nicht in Sicht.
Bei den Sektoren stufen wir Informationstechnologie auf übergewichtet hoch. Der Sektor bietet die stärksten Aussichten auf Gewinnwachstum in einer Zeit, in der die Korrekturen sowohl für 2023 als auch für 2024 positiv sind (Abb. 3).
Darüber hinaus ist die positive Bewertung des IT-Sektors angesichts der Wachstumschancen für die in diesem Sektor tätigen Unternehmen, insbesondere durch Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI), gerechtfertigt.
Wir sind auch von Aktien aus dem Bereich Kommunikationsdienstleistungen angetan, die ein Engagement in KI ermöglichen und gleichzeitig angemessen bewertet sind.
Bei Energie gehen wir von einer Übergewichtung zu einer neutralen Gewichtung über. Wir sehen keinen Sinn mehr darin, Ölaktien als Absicherung gegen die geopolitischen Risiken im Nahen Osten zu halten.
Anleihen und Währungen: Gilts in neuem Glanz
Obwohl wir optimistisch sind, was die Entwicklung festverzinslicher Wertpapiere allgemein in diesem Jahr anbelangt, sehen wir besonders erfreuliches Wertpotanzial bei britischen Staatsanleihen, die wir von neutral zu übergewichtet hochstufen. Die Anleihen sind relativ günstig, nicht zuletzt, weil wir die jüngsten positiven Überraschungen bei den britischen Inflationszahlen für ein kurzes Intermezzo halten. Stattdessen gehen wir davon aus, dass die Inflation als Reaktion auf die Konjunkturschwäche wieder zurückgehen wird. Das spiegelt sich bereits in den nachlassenden Inflationserwartungen wider. Das Nachlassen des Preisdrucks wird wiederum der Bank of England den Spielraum geben, in einen Lockerungszyklus einzutreten und die Zinsen vor allen anderen grossen Zentralbanken der Industrieländer zu senken.
Wir bleiben in US-Staatsanleihen übergewichtet. Unserem Modell zufolge werden ihre Renditen bis zum Jahresende um weitere 20 Basispunkte sinken. Im Moment herrscht übermässiger Optimismus, was das Tempo und die Tiefe der Zinssenkungen durch die Fed in diesem Jahr angeht. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Wende im Zinszyklus irgendwann im Jahr 2024 US-Treasuries weiteren Auftrieb geben wird.
Wir sind auch in Schwellenländeranleihen in Lokalwährung übergewichtet – die Anlageklasse hat in diesem Jahr bisher unterdurchschnittlich abgeschnitten, aber das Umschwenken der Fed auf einen expansiven Kurs und der Carry gleichen dieses Risiko teilweise aus. Wir behalten unsere Untergewichtung in japanischen und Schweizer Anleihen aufrecht – die Bank of Japan steht kurz vor dem Beginn eines Straffungszyklus, während die Schweizerische Nationalbank nur begrenzten Spielraum für Zinssenkungen hat. Demnach dürften beide Märkte in einer Zeit, in der in den meisten anderen Industrieländern die Zinssätze gesenkt werden dürften, unterdurchschnittlich abschneiden.
Bei Unternehmensanleihen sind wir weiterhin von der Übergewichtung in US-Investment Grade und der Untergewichtung in US-High Yield angetan, weil diese sich im Verhältnis gut entwickeln. Die Spreads zwischen den beiden Anlageklassen sind im Vergleich zu der gedämpften wirtschaftlichen Dynamik, auf die die wirtschaftlichen Frühindikatoren hindeuten, zu eng. Wir sind der Meinung, dass Hochzinsanleihen gegenüber Staatsanleihen keinen angemessenen Ausgleich für das Eingehen zusätzlicher Risiken bieten.
In unserer Währungsmatrix stufen wir den Schweizer Franken auf neutral zurück. Die Währung entwickelte sich 2023 überdurchschnittlich (siehe Abb. 4). Die SNB hat inzwischen ihre währungspolitischen Vorgaben geändert: Noch vor einigen Monaten setzte sie auf die Stärke des Schweizer Frankens, um die Inflation zu dämpfen, doch nun, da das Inflationsziel erreicht ist, hat die Notenbank angekündigt, keine Devisen mehr zu verkaufen.
Wir sind auch in Gold übergewichtet, das von einer weiteren Zinserholung und einer möglichen Abwertung des US-Dollars profitieren dürfte. Auch im japanischen Yen sind wir übergewichtet, der weiterhin ein überzeugendes Bewertungsargument darstellt.
Globale Märkte: Zinssätze alles entscheidend – vorerst
Globale Anleihen schnitten zu Beginn des Jahres schlechter ab als Aktien und beendeten den Monat im Minus, da die Vorgaben der grossen Zentralbanken die Hoffnung, dass es in diesem Quartal zu Zinssenkungen kommen könnte, im Keim erstickten.
Der Fed-Vorsitzende Jay Powell sagte, eine Zinssenkung im März sei nicht das „Basisszenario“, da die Zentralbank erst Beweise sehen wolle, dass der Inflationsrückgang tatsächlich nachhaltig sei. Er liess jedoch die Tür für Zinssenkungen zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr offen. US-Staatsanleihen beendeten den Januar mit einem Minus von 0,3%.
Deutlich ausgeprägter war die Schwäche bei britischen Staatsanleihen, die dafür sorgte, dass Gilts in Lokalwährung 1,9% verloren, und einen Teil der hohen Kursgewinne von Ende 2023 zunichte machte. Die Inflation im Vereinigten Königreich ist im Dezember unerwartet auf 4% gestiegen, der erste Anstieg seit 10 Monaten.
Auch in der Eurozone wurden am vorderen Ende des Anleihemarktes die Aussichten auf eine restriktivere Zinspolitik eingepreist. Euro-Staatsanleihen büssten 0,6% ein.
Während Anleihen schwächelten, hielten sich Aktien relativ gut und legten global um 1,3% zu. Die starke Gesamtperformance täuschte jedoch über grosse regionale Unterschiede bei den Sektoren hinweg.
IT- und Kommunikationsdienstleistungen waren dank der positiven Ergebnisse einiger grosser Technologieunternehmen die Spitzenreiter. Der Chiphersteller ASML meldete zum Beispiel eine Verdreifachung seiner Auftragseingänge. Die Sektoren Rohstoffe, Immobilien, Versorger und zyklische Konsumgüter verloren dagegen an Boden.
Der Trend „IT gegen die Welt“ spiegelt sich in den Bewertungen wider. In den USA beispielsweise liegt das KGV des S&P 500 für die nächsten 12 Monate bei 20, aber die durchschnittliche Aktie im Index wird mit einem KGV von 17,5 gehandelt. Die „Glorreichen 7“, die Technologie-Giganten, werden mit einem KGV von 30 gehandelt.
Bei den Regionen dauerte die Underperformance Chinas gegenüber den USA an. Während der S&P 500 seit Januar 2019 rund 27% zugelegt hat, verlor der MSCI China im gleichen Zeitraum 58% (siehe Abb. 5). Obwohl es einige erfreuliche Meldungen zur Entwicklung der chinesischen Wirtschaft gab, bleibt die Sorge, ob sich das BIP-Wachstum in höheren Unternehmensgewinnen niederschlagen kann – was bisher kaum der Fall war. Die Nachricht, dass ein Gericht in Hongkong die Liquidation des Immobilienkonzerns China Evergrande Group angeordnet hat, führte uns vor Augen, welchen Herausforderungen der chinesische Immobilienmarkt immer noch ausgesetzt ist.
Dagegen schnitten japanische Aktien mit einem Plus von 8,5% in Lokalwährung überdurchschnittlich gut ab, was auf die robuste Konjunktur des Landes, Unternehmensreformen und den immer noch schwachen Yen zurückzuführen ist. Auch Schweizer Aktien verzeichneten Zuwächse – wenn auch in geringerem Umfang –, da die Investoren von Qualitätsaktien überzeugt waren.
An den Devisenmärkten stützten die Aussichten auf längerfristig höhere US-Zinssätze den Dollar, der gegenüber den meisten grossen Währungen aufwertete.