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Weekly view - Geopolitische Rezession
In den USA haben die Zahlen zu den Einzelhandelsumsätzen im Januar, die anhaltende Inflation im Dienstleistungssektor und der überraschend hohe Erzeugerpreisindex für Januar dazu beigetragen, dass einige Offizielle der Fed letzte Woche weitere Zinserhöhungen um 50 Bp forderten. Unsere Grundannahme lautet zwar, dass die Fed die Zinsen bis Ende Mai zweimal um 25 Bp und dann nicht weiter anheben wird, aber hartnäckig hohe Erzeugerpreise werden die Margen der Unternehmen belasten. Trotz gestiegener Anleihenrenditen gab der S&P 500 jedoch kaum nach, und der technologieorientierte Nasdaq beendete die Woche sogar im Plus. Damit ist die Risikoprämie (also die Überrendite gegenüber risikofreien Staatsanleihen) für US-Aktien auf den niedrigsten Stand seit 2007 gefallen. Angesichts des Margendrucks, der die Gewinne schmälert, der hohen Bewertungen und der geschwundenen Aussichten auf Zinssenkungen bleiben wir bei Aktien insgesamt und insbesondere bei US-Aktien vorsichtig. Bestärkt werden wir darin durch die geopolitischen Entwicklungen, die weiterhin ein wichtiges Anlagethema darstellen. Neuerdings landen US-Unternehmen auf einer schwarzen Liste der Chinesen (in einem Fall wegen Waffenverkäufen an Taiwan), und letzte Woche warf ein niederländischer Chiphersteller einem ehemaligen Mitarbeiter Geheimnisverrat in China vor.
An einer Brüsseler Antwort auf den Inflation Reduction Act der USA wird noch gearbeitet, doch eine Möglichkeit wäre eine noch genauere Ausrichtung der Gelder aus dem EU-Programm NextGenEU auf den Erhalt und Schutz der heimischen Industrie. Im Rahmen eines überarbeiteten Wachstums- und Stabilitätspakts könnte den Ländern auch mehr haushaltspolitische Flexibilität eingeräumt werden – für die Haushaltsführung der Mitgliedstaaten womöglich ein Gamechanger. In der Berichtssaison für das 4. Quartal haben europäische Unternehmen ihre US-Pendants bisher mit positiven Überraschungen überflügelt. Dabei haben grosse europäische Exporteure und Luxusgüterhersteller von der Wiedereröffnung Chinas profitiert, und auch die Gewinne der Banken haben positiv überrascht. Diese Zahlen haben in Verbindung mit niedrigeren Bewertungen dazu geführt, dass europäische Aktien letzte Woche, wie schon seit Jahresbeginn, besser abgeschnitten haben als US-Aktien. Isabel Schnabel, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), warnte jedoch in einem Interview, dass die Märkte die Inflationsrisiken möglicherweise unterschätzen. Kurz gesagt: Die Gegensätzlichkeit zwischen Aktienmarktperformance und Zinsentwicklung ist für Anleger die Herausforderung Nummer eins. Die schottische Erste Ministerin Nicola Sturgeon ist letzte Woche zurückgetreten. Für die Labour Party ist dies eine gute Nachricht, für die schottische Unabhängigkeit dagegen möglicherweise nicht. Unterdessen stieg der britische Durchschnittslohn im 4. Quartal 2022 auf Jahresbasis um 6,7% und damit stärker als erwartet.
In China sind die Kreditdaten für Januar überraschend hoch ausgefallen, vor allem aufgrund von Firmenkrediten. Die weiterhin schwache Kreditvergabe an Privathaushalte deutet dagegen darauf hin, dass die Nachfrage nach Hypotheken gering bleibt. Wir gehen davon aus, dass die People’s Bank of China ihre Lockerungspolitik fortsetzen wird, um die Hauspreise zu stabilisieren. Nun gilt es, das Ausmass des Aufschwungs in China genau zu beobachten, denn Wohlstand und Stimmung der Privathaushalte sind weiterhin eng an den Immobiliensektor gekoppelt. Unser Augenmerk richtet sich diese Woche auf die Einkaufsmanagerindizes in Europa und den USA sowie auf den Konsumklimaindex der University of Michigan für Januar.