Wissenschaft im Kampf gegen Krebs

Wissenschaft im Kampf gegen Krebs

Immer mehr Menschen weltweit erkranken an Krebs. Die Wissenschaft macht jedoch Hoffnung – von der Herstellung sogenannter „Supercharge“-Immunzellen, die die Krebszellen zerstören sollen, bis hin zu leistungsstarken neuen Tests, mit denen aus nur einem Tropfen Blut Krebs diagnostiziert werden kann.

Krebs ist mittlerweile die zweithäufigste Todesursache weltweit und jeden Fünften von uns wird es vor dem 75. Lebensjahr treffen. Das Ausmass wird immer grösser: Die Zahl der jährlich gemeldeten neuen Krebsfälle dürfte bis 2040 auf 29,4 Millionen ansteigen, das ist im Vergleich zu 2018 mehr als das Doppelte.1

Erfreulicherweise scheinen der Medizinindustrie einige vielversprechende wissenschaftliche Durchbrüche gelungen zu sein, dank derer sie der Krankheit einen harten Schlag versetzen könnte.

Allein in den USA gibt die öffentliche Hand rund 6,4 Mrd. US-Dollar für die Krebsforschung aus. Die Regierung von Präsident Biden hat die Onkologie zur Priorität gemacht und sich verpflichtet, die Krebssterblichkeit in den nächsten 25 Jahren um mindestens 50 Prozent zu senken.

Screening und Früherkennung sind entscheidend, sie sind der Schlüssel für die Verlängerung der Lebenserwartung der Patienten.

Nehmen wir als Beispiel Lungenkrebs. Nur 15 Prozent der Fälle werden im ersten Stadium – wenn Krebszellen erst ein kleines Areal befallen und noch nicht gestreut haben – diagnostiziert. Das liegt vor allem daran, dass häufig keine Symptome vorhanden sind. Knapp die Hälfte der Fälle wird erst im vierten Stadium diagnostiziert, in dem sich der Krebs auf mindestens ein weiteres Organ ausgebreitet hat. Die späte Diagnose hat schwerwiegende Folgen für die Lebenserwartung: Rund 55% der Lungenkrebspatienten, bei denen der Krebs im ersten Stadium diagnostiziert wurde, überleben mindestens ein Jahr, aber beim vierten Stadium sinkt die Rate auf nur 5%.

Behandlungsfortschritt

Neben besserer Diagnostik verbessern sich auch die Behandlungsmöglichkeiten. Es gibt zum Beispiel eine, bei der das Genom des Tumors so genau untersucht werden kann, dass die Erstellung eines detaillierten Molekularprofils möglich ist. Der Tumor kann dann gezielt mit Therapien behandelt werden, um die spezifischen Proteine, die für den Krebs verantwortlich sind, zu zerstören. Das kann insbesondere bei der Behandlung von Krebserkrankungen im späteren Stadium relevant sein, bei denen eine Operation riskant ist und vermutlich auch nicht das ganze Tumorgewebe entfernt werden kann.

Dann gibt es die Immuntherapie, die darauf abzielt, das Immunsystem des Patienten für die Bekämpfung der Krankheit zu nutzen. Ziel ist es, dem Immunsystem beizubringen, Krebszellen zu erkennen und anzugreifen. Hier gibt es verschiedene Ansätze. Einer davon ist der Einsatz von Zytokinen, das heisst Antikörpern, die zur Erkennung von Krebszellen modifiziert werden, und Krebsimpfstoffen. Eine weitere Methode ist die Zelltherapie, bei der entnommene Zellen der Patienten im Labor modifiziert werden, um ihre Fähigkeit zur Bekämpfung des Krebs zu verbessern.

Die Immuntherapie ist keine neue Behandlungsform. Schon in den 1890er Jahren versuchte der Chirurg William Cole, die Immunreaktion zu aktivieren, damit die Krebszellen angegriffen werden.   Doch erst knapp einhundert Jahre später hat die US-Arzneimittelaufsicht (FDA) das erste Immuntherapiemittel zugelassen, das auf künstlichen Zytokinen basiert, also Proteinen, die Signale an das Immunsystem senden und steuern, wie die Immunzellen wachsen, reifen und reagieren.

Die moderne Immuntherapie hat sich 2011 mit der Erfindung und Zulassung von Checkpoint-Inhibitoren herausgebildet.3 Immuncheckpoints sind die „Bremsen“ des Immunsystems; sie werden häufig von Tumoren ausgeschaltet, damit die Immunabwehr blockiert wird. Die Inhibitoren verhindern, dass die Krebsproteine an den Checkpoints andocken und sie ausser Kraft setzen, damit das Immunsystem weiterhin die kranken Zellen angreifen kann. Innerhalb von etwas mehr als zehn Jahren wurden von der FDA sieben Checkpoint-Inhibitoren zugelassen, mit denen sich ein Dutzend verschiedene Krebsarten, darunter Haut- und Lungenkrebs, behandeln lassen. Weitere sind in der Entwicklung.

Eine weitere Waffe im Kampf gegen Krebs ist die Zelltherapie. Hier werden menschliche Zellen modifiziert, um ihre Fähigkeit zur Bekämpfung des Krebs zu verbessern. Konkret besteht die Therapie darin, die T-Zellen des Patienten – die weissen Blutkörperchen des Immunsystems – zu sammeln, sie in einem Labor zu modifizieren und sie wieder in den Blutkreislauf zu injizieren, wo sie die Krebszellen angreifen können. Die modifizierten „Supercharge“-Zellen werden CAR-T-Zellen genannt.

Bisher wurden sechs CAR-T-Zelltherapien zugelassen, insbesondere zur Behandlung von Leukämie bei Kindern und Lymphomen bei Erwachsenen. Die Behandlung ist nach wie vor sehr teuer und komplex, da sie für jeden Patienten individuell entwickelt wird. In klinischen Studien kommen jedoch potenziell günstigere Standardversionen zum Einsatz.4

Weitere Forschungsansätze sind Impfstoffe – möglicherweise mithilfe der mRNA-Technologie, die auch für die Covid-Immunisierung entwickelt wurde – und der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Data Mining, mit denen sich nicht nur personalisiertere Therapien entwickeln lassen, sondern die auch eine bessere Identifizierung von Personen mit erhöhtem Krebsrisiko und damit ein gezielteres Screening ermöglichen. Dadurch steigen die Chancen einer frühzeitigen Erkennung.

Diese wissenschaftlichen Vorstösse zahlen sich bereits aus. Auch wenn die Zahl der Krebsfälle weiter gestiegen ist, ist die Zahl der krebsbedingten Todesfälle in den USA von 201 pro 100.000 Einwohner im Jahr 1999 auf 144 im Jahr 2020 gesunken.  Der Weltgesundheitsorganisation zufolge könnten in diesem Jahrzehnt etwa sieben Millionen Menschenleben durch eine effektive und zielgerichtete Anwendung von Wissenschaft gerettet werden.

Der Forschungsimpuls ist stark, gestützt durch umfangreiche Investitionen seitens der Regierungen und des privaten Sektors. Sofern diese Dynamik anhält, könnte es in zehn Jahren möglich sein, Krebs nicht nur zu erkennen, bevor sich sichtbare Tumore gebildet haben, sondern die Krankheit auch frühzeitig zu behandeln und eine Ausbreitung zu verhindern.

[1] https://canceratlas.cancer.org/the-burden/the-burden-of-cancer/
[2] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6188092/
[3] https://www.cancerresearch.org/blog/december-2019/2010s-decade-cancer-immunotherapy-highlights
[4] https://www.cancer.gov/about-cancer/treatment/research/car-t-cells
[5] Altersangepasste Krebssterberaten, nach Geschlecht, USA, 1999–2020. Quelle: Übernommen von der CDC-Website und bearbeitet.
[6] https://www.who.int/news/item/04-02-2020-who-outlines-steps-to-save-7-million-lives-from-cancer
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