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Weekly house view | Powell geht Kompromiss
Die US-Notenbank hat den Leitzins letzte Woche unverändert gelassen. Allerdings handelt es sich um eine „hawkische“ Pause, denn das aktualisierte Dot-Plot-Chart, das die Erwartungen der Notenbanker für die weitere Zinsentwicklung darstellt, deutet auf eine weitere Anhebung um 50 Bp für 2023 hin. Dies untermauert unsere Annahme, dass die Fed 2023 keine Zinssenkung vornehmen wird. Die Entscheidung der Fed stellt einen Kompromiss dar, begründete Fed-Chef Jerome Powell die Pause doch mit der Notwendigkeit, die verzögerte Wirkung der Geldpolitik und die Auswirkungen der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor beurteilen zu müssen. Doch trotz der hawkischen Dot-Plot-Prognosen legte er sich nicht auf einen Zinsschritt im Juli fest. Ein Grund für die Zinsentscheidung der Fed waren die aktuellen Zahlen zur Teuerung. Im Mai ging die Gesamtinflation annualisiert deutlich auf 4,0% zurück, nachdem sie im April noch bei 4,9% gelegen hatte. Die Kernrate der Verbraucherpreise stieg indes gegenüber dem Vormonat um 0,4%.
Die Fed-Sitzung löste einen Anstieg der US-Treasury-Renditen aus, insbesondere am kürzeren Ende der Zinsstrukturkurve, das stärker auf geldpolitische Veränderungen reagiert. An den Aktienmärkten liess der Aufschwung bei Small-Caps nach, doch der Gesamtmarkt zog weiter an, da Investoren davon ausgehen, dass der Zinserhöhungszyklus beendet und die Gefahr einer Rezession gebannt ist. Wir werden auf die diese Woche anstehenden PMI-Daten schauen, um uns zu vergewissern, dass den USA eine weiche Landung gelingt. Die Ausfallraten bei gewerblichen hypothekenbesicherten Wertpapieren, bei denen Büroimmobilien als Sicherheit dienen, stiegen im Mai auf 4,02% – und damit zum ersten Mal seit 2018 über dem Wert von 4,0%. Real Estate Investment Trusts (REITs) stehen wir negativ gegenüber.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hob ihre Leitzinsen letzte Woche an. Anders als Fed-Chef Jerome Powell betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, dass ein weiterer Zinsschritt im Juli „sehr wahrscheinlich“ ist. Dies stärkte den Euro gegenüber dem Dollar. In den gesamtwirtschaftlichen Projektionen der EZB zeigten sich die Fachleute überraschend hawkish. Gestützt auf einen robusten Arbeitsmarkt korrigierten sie die Inflationsprognosen nach oben. Die Bank of England (BoE) und die Schweizerische Nationalbank führen diese Woche ihre geldpolitische Lagebeurteilung durch, und wir gehen bei beiden von einer Zinserhöhung aus. Bei der BoE dürfte die hartnäckige Inflation gepaart mit steigenden Zinsen der britischen Währung Auftrieb verleihen, doch letztendlich dürfte sich die negative Wirkung der Zinsstraffung auf die Wirtschaft als massgeblich für die Entwicklung der Währung erweisen.
In China fielen die jüngsten Konjunkturdaten enttäuschend aus. Die People’s Bank of China senkte ihren 7-tägigen Reverse-Repo-Satz um 10 Bp von 2,0% auf 1,90%, und weitere Zinssenkungen dürften folgen, ebenso wie neue staatliche Unterstützungsmassnahmen. Unserer Ansicht nach könnten die neuen Konjunkturmassnahmen dazu führen, dass die Wachstumsdynamik im 3. Quartal wieder anzieht, nachdem sie im 2. Quartal ins Stocken geraten ist. Unsere Prognose für das chinesische BIP für 2023 liegt momentan weiterhin bei 5,5%. Der Renminbi gab letzte Woche wegen der Zinssenkung gegenüber dem US-Dollar um über 2% nach, doch die (auch von uns) erwarteten neuen Konjunkturmassnahmen liessen letzte Woche den MSCI China Index um nahezu 5% (in USD) und chinesische Tech-Aktien um über 7% steigen. Bei chinesischen Aktien sind wir übergewichtet.