Offshoring in Zeiten geopolitischer Veränderungen

Offshoring in Zeiten geopolitischer Veränderungen

Der Handel findet zunehmend intraregional statt, was der Wirtschaft in lokalen und „Nearshore“-Märkten Auftrieb verleiht.

„Es war die beste und die schlimmste Zeit.“ Mit dem Eingangssatz aus Charles Dickens’ Roman Eine Geschichte aus zwei Städten von 1859 lässt sich das heutige globale Geschäftsumfeld treffend beschreiben. Einerseits haben die geopolitischen Spannungen zwischen den Weltmächten und in den Regionen die Ära der friedlichen Globalisierung beendet: Handels hemmnisse nehmen zu, und die globalen Lieferketten sind länger und unsicherer geworden.

Andererseits eröffnet die neue Ära des „Friendshoring“, des „De-Risking“ und der „wirtschaftlichen Autonomie“ neue Möglichkeiten: Der Handel findet zunehmend intraregional statt, und Produktionsverlagerungen verleihen der Wirtschaft in lokalen und „Nearshore“-Märkten Auftrieb. In den kommenden Jahren werden Unter nehmer eher in ihrer Heimatregion als überregional oder aber in Ländern mit ähnlichen Werten tätig sein.

Wir erleben eine Zeitenwende. Nachdem die Globalisierung 2008 infolge der Finanzkrise ins Stocken geraten war, hat sich diese Entwicklung in den letzten fünf Jahren durch die zunehmenden geopolitischen Spannungen noch verschärft. Parallel dazu wurde der freie Waren- und Kapitalverkehr immer mehr eingeschränkt: 2022 wurden rund 3000 handelsbeschränkende Massnahmen verhängt – fast dreimal so viele wie 20191.

Die Neuordnung des globalen Handels gefüges geht einher mit dem sich wandelnden geopolitischen Umfeld – der letzten von drei Phasen nach dem Zweiten Weltkrieg, die dem Aufbau der internationalen Beziehungen und der Handelsbeziehungen diente. In der ersten Phase wurde die Welt schnell vom Kalten Krieg eingeholt, der weitgehend vorhersehbar war. Trotz der ideologischen Kluft zwischen Ost und West (und dazwischen einigen blockfreien Staaten) gab es zwischen den Mächten ein Mindestmass an Dialog und Vertrauen. Die Finanz marktakteure wussten, dass jede internationale Krise deeskaliert werden würde, um den Krieg kalt zu halten, denn der Preis für einen heissen Krieg wäre die gegenseitige Zerstörung gewesen. Während der Kubakrise im Oktober 1962 büsste der S&P 5002 (in USD ) rund 7% ein. Mit dem Einlenken Chruschtschows wurden diese Verluste aber grösstenteils ettgemacht.

Der Handel findet zunehmend intraregional statt, was der Wirtschaft in lokalen und ‚Nearshore‘- Märkten Auftrieb verleiht.

Handels- und investitionshemmende Massnahmen

Quellen: Pictet Wealth Management, Europäische Zentralbank, Februar 2023.

In der zweiten Phase von 1990 bis etwa 2008 folgte auf den Kalten Krieg eine Periode, in der die USA der einzige Garant für den Weltfrieden und den freien Welthandel waren. Das Gefühl, dass die westlichen liberalen Werte gesiegt hatten, nährte die Hoffnung, dass es keine grösseren Kriege mehr geben würde, weil sich liberale Demokratien erfahrungsgemäss nicht gegenseitig bekämpfen. Quasi als Bestätigung dieser Theorie trat China 2001 der Welthandelsorganisation bei – ein Schritt, von dem sich die USA eine Öffnung Pekings für ein liberales, demokratisches Modell erhofften.

In der letzten Phase jedoch geriet die Entwicklung ab 2008 aus den Fugen. China und Russland strebten nach alter Grösse, und im globalen Süden regte sich das Verlangen, die alte, als westlich wahrgenommene Weltordnung zu ersetzen. Die Folgen der Fragmentierung sind heute sichtbar – sowohl in der Politik als auch im freien Handel. Der Westen möchte weiterhin mit China Handel treiben, will aber bei Schlüsselprodukten und -komponenten oder Technologien nicht von einem Land abhängig sein, dessen Ideologie er ablehnt. Für Unter nehmen bedeutet dies, dass die China+1-Strategie inzwischen das Sicherheitsminimum in den Liefer ketten darstellt.

Diese neue Normalität bestimmt den Rahmen, in dem Unternehmer agieren können. Sie bedeutet nicht unbedingt einen Rückgang der Investitionen, wohl aber eine zunehmende Konzentration des Handels innerhalb von Regionen. China hat sowohl als Quelle von US -Importen als auch als Ziel für US -Investitionen an Boden verloren3. Die globalen Wertschöpfungsketten sind länger geworden. Dies betrifft insbesondere die Beziehungen zwischen Lieferanten und Kunden aus China und den Vereinigten Staaten4.

„Eine Rückkehr zur friedlichen Globalisierung wird es nicht geben – zumindest nicht für die nächste Generation.“

Jedoch deutet einiges darauf hin, dass bestimmte „Verbindungsländer“ wie Mexiko und Vietnam womöglich davon profitieren, dass die USA die Risiken aus dem Handel mit China abbauen. Diese Länder haben bei den US - Importen am stärksten zugelegt und mehr Anteile an den chinesischen Exporten gewonnen. Sie erhalten auch mehr chinesische Direktinvestitionen. Auf absehbare Zeit wird dieser neue Rahmen wohl bestehen bleiben.

Der Ausgang der diesjährigen US -Präsidentschaftswahlen wird angesichts der strukturellen Unterschiede zwischen den Weltmächten kaum eine Rolle spielen. Eine Rückkehr zur friedlichen Globalisierung wird es nicht geben – zumindest nicht für die nächste Generation.

Jährliche Wachstumsrate der Bankkredite an dennichtfinanziellen privaten Sektor im Euroraum

Quellen: Pictet Wealth Management, Europäische Zentralbank, Februar 2023.

Gita Gopinath, "Cold War II? Preserving Economic Cooperation Amid Geoeconomic Fragmentation", Plenarrede der Ersten Geschäftsführenden Direktorin des IWF, 20. Weltkongress der International Economic Association, Kolumbien, Seite 4
Pictet WM AA&MR, Thomson Reuters. Wertentwicklung in der Vergangenheit, S&P 500 Composite (12-Monats-Nettorendite in USD): 2019, 31,5%; 2020, 18,4%; 2021, 28,7%; 2022, −18,1%; 2023, 26,3%.
Gopinath, Seite 7.
4 Han Qiu, Hyun Song Shin und Leanne Si Ying Zhang, Mapping the realignment of global value chains, BIS Bulletin No. 78, , 3. Oktober 2023, https://www.bis.org/publ/ bisbull78.pdf.
 

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