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Städte in der Natur
Für Stadtplaner, die vor der grossen Herausforderung stehen, die zunehmende städtische Dichte mit dem Umweltgedanken in Einklang zu bringen, ist Singapur das beste Vorbild. Die Regierung des Stadtstaats hat in den vergangenen sechzig Jahren an Lösungen gearbeitet, um der wachsenden Bevölkerung Platz auf der kleinen Insel zu bieten und gleichzeitig in Harmonie mit der Natur zu leben. Durch seine jüngsten Massnahmen ist Singapur diesem Ziel vielleicht näher als jede andere Grossstadt.
Als Singapur 1965 ein unabhängiger Stadtstaat wurde, wollte der damalige Ministerpräsident Lee Kuan Yew unter allen Umständen die Fehler anderer schnell wachsender asiatischer Städte vermeiden. Anstelle eines Betondschungels stellte er sich etwas vor, das den britischen Gartenstädten ähnelte. Die Ausgangssituation war allerdings alles andere als optimal. Die Flüsse Singapurs waren verschmutzt, es gab kaum Wälder mehr und es fehlte an Wohnraum, sodass die Menschen immer mehr in Randgebiete getrieben wurden.
Was folgte, waren konkrete und zunehmend integrierte Pläne für Wohnraum, Verkehr und Infrastruktur mit viel Spielraum für öffentliche Grünflächen. Trotz der zunehmenden Urbanisierung gelang es Singapur, seine Grünflächen von 36% im Jahr 1986 auf 47% in 2007 zu vergrössern und gleichzeitig den verschmutzten Singapore River zu säubern.
Jetzt geht Singapur in die nächste Phase – von der Gartenstadt zur Stadt in der Natur. Es reicht nicht mehr aus, einfach nur Bäume zu pflanzen und öffentliche Grünflächen zu schaffen. Es werden jetzt grosse Anstrengungen unternommen, um die Stadt zu begrünen. Das ist nicht nur eine Frage der Ästhetik – in Singapur ist die Durchschnittstemperatur um 1 Grad Celsius gegenüber 1950 gestiegen. Die Begrünung ist entscheidend, um sie kühl zu halten.
Das erfordert eine Vielzahl von Massnahmen. Zunächst geht es um die Begrünung kalter städtischer Räume – mit Kletterpflanzen an Mauern, Betonsäulen und sogar Laternenpfählen. Dann geht es darum, die verschiedenen Parkanlagen zu schützen, von kleinen lokalen Grünflächen bis hin zu den Nationalparks.
Grüner Betondschungel
Es entstehen mit Bäumen gesäumte Wander- und Radwege, es werden Landstreifen entlang von Entwässerungskanälen angelegt und für die Begrünung von U-Bahn-Viadukten gibt es genaue Bepflanzungspläne. Nach den neuen Vorschriften sind Immobilienentwickler dazu angehalten, die Grünflächen, die bei der Standortentwicklung verloren gegangen sind, durch Terrassen zu ersetzen – egal ob ebenerdig, auf dem Dach oder irgendwo dazwischen. Mittlerweile sind die Industriegebiete üppig mit Bäumen bewachsen, weitere 170.000 sollen an diesen Standorten gepflanzt werden. Seit 2019 wurden in Singapur im Rahmen des Programms mehr als 250 Hektar Grünflächen, darunter urbane Landwirtschaft, Gemeinschaftsgärten und grüne Mauern, geschaffen.
Ein zentrales Element der Strategie Singapurs für eine Stadt in der Natur ist die Herangehensweise in Bezug auf die Wasserressourcen. Obwohl dort durchschnittlich 2,4 Meter Niederschlag fallen, wird in der Stadtlandschaft ein Grossteil davon abgeschwemmt. So entstanden im Laufe der Jahre 17 städtische Wasserspeicher, die zwei Drittel der Wassereinzugsgebiete des Stadtstaats abdecken. Inzwischen werden künstliche Wasserwege wie Kanalisationen, Kanäle und Regenwassersammelbecken renaturalisiert und durch Bepflanzungsmassnahmen und Landschaftsgestaltung begrünt. Dazu gehört auch der Umbau eines Monsunkanals in einen idyllischen, mit Mangroven gesäumten Fluss. Nicht nur die Ästhetik wurde verbessert, diese Wasserwege werden jetzt auch als Erholungsräume genutzt. Und die Neuanpflanzung von Mangroven wirkt der Erosion an der Küste entgegen.
1960 noch drohte Singapur zu einem weiteren traurigen Beispiel für eine nicht funktionierende Urbanisierung zu werden. Seitdem ist die Bevölkerung von 2 auf 5,7 Millionen Menschen angewachsen – und lebt in einer zunehmend umweltfreundlichen, gesunden, angenehmen und nachhaltigen Umgebung. Das ist vor allem der Weitsicht der Regierung zu verdanken, die in ihrer koordinierten Stadtplanung alle natürlichen Ressourcen des Stadtstaats berücksichtigt. Das ist kein einfaches Unterfangen und erfordert Fokussierung und langfristiges Denken. Aber wie Singapur beweist, ist dies auch in den anspruchsvollsten Umgebungen unter beschränkten räumlichen Verhältnissen möglich.